Projekt #5 – Leseprobe
Kapitel 2 – Charlotte
»Meine Damen, es war mir ein Vergnügen«, sagte der Mann im teuren Anzug und reichte beiden die Hand.
Durch seine gepflegten grauen Haare und das freundliche Gesicht machte er einen sympathischen Eindruck auf Charlotte.
»Das können wir nur erwidern«, meinte ihre Chefin süßlich. »Ich versichere Ihnen eine professionelle und zuverlässige Zusammenarbeit, Herr Krümmling. Meine Mitarbeiterin Frau Peters wird alles wunderbar im Griff haben.« Sie deutete auf Charlotte und setzte ihr schönstes Akquiselächeln auf.
»Davon bin ich überzeugt.« Herr Krümmling zwinkerte Charlotte zu.
Sie meinte, einen Hauch von Spott auf seinem Gesicht auszumachen. Er hatte die Schleimscheißerei ihrer Chefin durchschaut, ohne Zweifel. Aber er war sicher auch lange genug Geschäftsmann, um zu wissen, dass in diesem Business schleimscheißen zum Alltag gehörte.
»Frau Meyer wird Sie hinausbegleiten«, fuhr er fort. »Sie hören dann von uns, sobald eine Entscheidung gefallen ist.«
»Wir freuen uns sehr darauf.«
Nicht übertreiben, dachte Charlotte und klatschte sich innerlich an die Stirn. Für ihren Geschmack raspelte Constanze einfach zu viel Süßholz.
Sie verließen den steril eingerichteten Besprechungsraum im fünfzehnten Stockwerk, und Frau Meyer, Krümmlings junge Sekretärin, wies ihnen den Weg zum Fahrstuhl.
Das Gebäude war äußerst modern ausgestattet, versprühte aber dennoch einen Hauch von Gemütlichkeit. An jedem Fenster fanden sich große Blumentöpfe mit Palmen darin, riesige Fotografien von atemberaubenden Landschaften aus der ganzen Welten schmückten die Wände. Aus einer Teeküche, an der sie vorbeiliefen, drang fröhliches Gelächter zu ihnen. Sogar die Eingangshalle mit den hochglänzenden schwarzen Fliesen wirkte mit ihren bequemen Sitzecken einladend.
Als die beiden Frauen auf dem Vorplatz des großen gläsernen Gebäudes standen, hob Constanze die Hand zu einem High Five.
Nur widerwillig schlug Charlotte ein und kam sich dabei unheimlich dämlich vor.
Zwei erwachsene Frauen in schicken Designerkostümen klatschen sich in aller Öffentlichkeit ab wie pubertierende Milchbubis, die gleichzeitig eine Tussi klargemacht machen! Wie peinlich.
»Constanze, findest du nicht, dass das etwas zu dick aufgetragen war?«
»Ach, mach dich mal locker! Viele Jungunternehmer besiegeln heutzutage ein Geschäft mit einem High Five«, erwiderte ihre Chefin und schnipste mit den Fingern in Richtung Straße.
»Erstens bezweifle ich das, zweitens meinte ich eigentlich deine Konversation mit Herrn Krümmling und drittens sind wir nicht in New York. Nimm den Arm runter! Hier wird kein Taxi anhalten.«
Nur Sekunden später hielt tatsächlich ein beigefarbener Mercedes vor ihrer Nase an, und Constanze schlüpfte mit einem Was-hast-du-gesagt?-Grinsen hinein.
Seufzend ließ sich Charlotte neben sie fallen und strich ihren engen Rock glatt.
»Münzstraße, bitte«, wies ihre Chefin den Taxifahrer an und wandte sich dann wieder ihr zu: »Charlotte, Liebes, du musst noch eine Menge lernen. Diese alten Säcke wollen doch von jungen hübschen Damen umgarnt und eingewickelt werden. Man muss ihnen nur genug Honig ums Maul schmieren, dann hat man sie in der Tasche.«
»Mir schien Herr Krümmling ganz und gar nicht auf seine niederen Instinkte reduziert zu sein. Er wirkte wie ein weltoffener, intelligenter und äußerst sympathischer Mann. Ich denke, allein mit Kompetenz, Ehrlichkeit und Persönlichkeit kommt man bei ihm weiter als mit den billigen Waffen einer Frau.«
»Was heißt hier billig? Dieser Körper hat mich tausende Euro gekostet, ganz zu schweigen von der Verpackung.«
»Ich nahm immer an, dass wir in einer Unternehmensberatung arbeiten und nicht in einem Bordell! Wenn das so sein sollte, muss ich mich schnell nach einem anderen Job umsehen.«
»Nochmal, Charlotte, das ist das Business. Und wenn du demnächst Senior Consultant werden möchtest, solltest du das endlich verinnerlichen. Wir kämpfen mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, um den Kunden. Da haben Moralvorstellungen keinen Platz. Letztendlich geht es nur um den Umsatz. Ist schließlich beim Kunden nicht anders. Wenn du das nicht verstehst, bist du tatsächlich falsch bei uns. Ich dachte allerdings, dass du ganz scharf auf die Beförderung bist.«
»Das bin ich auch …«
»Dann stell dich nicht so an!«
»Tu ich nicht …«
»Wunderbar. Dann wäre das ja geklärt. Lust auf einen Feierabendcosmopolitan? Zur Feier des Tages.« Constanze kramte einen Spiegel und einen Lippenstift aus ihrer Lederhandtasche und malte sich sorgfältig die Lippen nach.
»Herr Krümmling hat den Vertrag noch nicht unterschrieben.«
»Ich sag’s dir, mit deiner Kompetenz und meiner Schleimscheißerei haben wir ihn an der Angel. Das wirst du schon schaffen. Herr Krümmling gehört jetzt dir.«
»Du weißt aber schon, dass ich in zweieinhalb Wochen nach Südafrika düse?«
»Ach ja, diese Buschhochzeit. Wie lange dauert das nochmal?«
»Drei Wochen.«
»Meine Güte, wie kann man nur drei Wochen lang heiraten? Ich kapiere diesen ganzen Hype um das Thema Hochzeit sowieso nicht.«
»Glaub mir, ich verstehe das auch nicht, aber die Braut ist meine beste Freundin, und ich bin nun einmal ihre Trauzeugin. Außerdem heiraten sie keine drei Wochen lang. Das sind quasi die Flitterwochen im Voraus. Mit Safaris und Buschwanderungen und so.«
»Ich kann es mir immer noch nicht vorstellen, wie gerade du dich im Tarnoutfit durch Elefantenhaufen wühlst.« Constanze sah sie spöttisch an.
»Ich werde ganz sicher keine Elefantenscheiße anfassen. Und außerdem wird es nicht so spartanisch wie du vielleicht denkst. Wir haben für jede Nacht ausgesuchte Unterkünfte und machen kein Camping in der Wildnis.«
»Bist du dir da sicher? Nimm dir auf jeden Fall eine Familienpackung Desinfektionsmittel und genügend Medikamente gegen diese ganzen Krankheiten dort mit.«
»Alles schon besorgt. Ich bin bestens ausgerüstet.«
»Wie dem auch sei. Wenn du wegfliegst, sollte der Deal mit Krümmling unter Dach und Fach sein.«
»Ich bezweifle, dass er sich da unter Druck setzen lässt. Schließlich möchte er sich noch weitere Angebote einholen und Strategien ansehen.«
»Ich zähle auf dich, Charlotte. Du bist im Moment mein bestes Pferd im Stall. Beweis mir, dass ich mich nicht irre.«
»Ich versuch’s«, seufzte Charlotte und lehnte sich im Sitz zurück. Wie, zum Teufel, sollte sie das Geschäft bis zu ihrem Urlaub abschließen? Der Kunde hatte laut Angebot einen Monat Zeit, sich zu entscheiden. Wenn sie Krümmling drängte, würde er abspringen, da war sie sich sicher. Und keinesfalls wollte sie auf ihre weiblichen Reize setzen. Die würden ihr bei der Umsetzung des Auftrages ohnehin nichts nützen. Hier waren allein ihre Erfahrung und ihr Gespür für die bestmögliche Verteilung der Mitarbeiterressourcen gefragt. Und wenn sie diese Umstrukturierung gut über die Bühne brachte, winkte bereits der nächste Auftrag, wie Krümmling angedeutet hatte. Das Unternehmen wollte wachsen und sämtliche Bereiche neu organisieren, um mit geringem Einsatz das Maximale herauszuholen. Mit Fingerspitzengefühl bei den Vertragsverhandlungen würde sie mehr erreichen als mit den banalen Tricks von Constanze. Der Krümmling war doch nicht bescheuert. Das hatte er allein mit seiner Mimik am Ende des Gesprächs schon bewiesen. Nun musste sie nur noch ihrer unterschriftsüchtigen Chefin beibringen, dass es in diesem Kalenderjahr wohl keinen Abschluss mehr geben würde.
»Constanze? Den Feierabendcosmopolitan nehme ich dann doch ganz gern.«
Hinweis:
Die Leseprobe wurde noch nicht lektoriert und korrigiert. Sie kann noch Fehler enthalten. Ich bitte euch, dies zu entschuldigen.